Zwangsarbeit in einem Kieswerk 1939 – 1945

(am Beispiel der Baufirma Habermann & Guckes)

6. Die Arbeit im Kieswerk in Brüggerholz (1)

Den 15 Männern aus Włocławek wird die Arbeit in den Kiesgruben von Brüggerholz vielleicht nicht so schwer gefallen sein, da es sich bei ihnen (überwiegend) um ausgebildete Wasserstraßenarbeiter handelte. Für den gelernten Buchdrucker Ryszard Samulczyk aus Łódź waren die harten körperlichen Arbeiten dagegen eine besondere Qual. Er schrieb bereits in seinem ersten Brief: „Die ersten Monate habe ich im Maschinenwerk verbracht, wo man Steine geschlagen und gemahlen hat, bis zu sogenannten Schabern.“ Diese mit großer Staubentwicklung verbundene Tätigkeit führte bei Samulczyk zu dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen, insbesondere zu allergischen Reaktionen und zu einer chronischen Bronchitis. Aufgrund der eindringlichen Intervention eines Arztes wurde er an einen anderen Arbeitsplatz versetzt: „Ich habe dort gearbeitet, wo man den Kies gewaschen und gespült hat. Meine Arbeit war es, aus kleinen Waggons Kies und Steine umzukippen in die Räume, wo man das Material gespült hat. Aber auch diese Arbeit war für mich zu belastend. Der nächste Posten war das Beladen größerer Steine mit Hilfe eines extra Aufzuges, eines Kranes, den ich betätigt habe. Später habe ich auf einem Bagger gearbeitet: Ich musste eine Schaufel betätigen, die Steine oder Kies aufgeladen und auf eine schmalspurige Eisenbahn abgeladen hat. Weil viele deutsche Bürger in die Armee mussten, habe ich zuletzt als Lokomotivführer gearbeitet und Steine und Kies zu den entsprechenden Arbeitsplätzen gebracht.“[6-1] Samulczyk hat demnach während seines Aufenthaltes in Brüggerholz viermal seinen Tätigkeitsbereich gewechselt bzw. aus gesundheitlichen Gründen wechseln müssen. Aus der Schilderung wird auch deutlich, dass der Betrieb des Kieswerkes unter den Bedingungen des Krieges sehr schnell zusammengebrochen wäre, wenn es nicht den Arbeitseinsatz der ausländischen Zwangsarbeiter gegeben hätte.

Das Intervenieren des Arztes mit dem Ziel, eine andere Beschäftigung innerhalb des Kieswerkes zu finden, ist offensichtlich nicht ohne Probleme verlaufen. Den Kieler Nachrichten berichtete Samulczyk 1994 in einem Interview: „Aufgrund einer ärztlichen Bescheinigung bekam ich dann einen anderen Arbeitsplatz bei der Bedienung einer Steinwinde zugewiesen, obwohl der Bauführer zunächst sehr wütend war und meine Bescheinigung in kleine Stücke zerriss. Er muss sehr nervös gewesen sein!“[6-2] In seiner Antwort auf den Fragenkatalog des Verfassers schilderte Samulczyk denselben Vorfall folgendermaßen: „Ich erhielt eine Bescheinigung, die ich dem Bauführer vorlegte. [...] Als er die Bescheinigung durchgelesen hatte, verfiel er in eine solche unglaubliche Wut, dass er Schaum vor dem Mund hatte und ich am alten Arbeitsplatz blieb. Am nächsten Tag wollte ich wieder an gleicher Stelle aussteigen, aber der Bauführer machte mir klar: Richard, du fährst heute in den Wald.“[6-3] Das bedeutete den unmittelbaren Einsatz beim Kiesabbau in den weiter östlich gelegen Kiesgruben.

Samulczyk: Steinbrocken per Hand auf Waggon

 ... mit Eisenrädern

... als Lokomotivführer

 

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[6-1] Beide Zitate aus dem Brief vom 1.3.1994.

[6-2] KN vom 28.4.1995.

[6-3] Brief vom 5.1.1995.