Die neuen Erbhofbauern (1934)

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Bereits am 15.Juni 1933 war das „Gesetz zur Regelung der landwirtschaftlichen Schuldverhältnisse“ in Kraft getreten. Alle Inhaber von landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Betrieben, die alleine nicht in der Lage waren, sich zu entschulden, konnten bis zum 30.Juni 1934 einen Antrag auf Eröffnung eines Entschuldungsverfahrens stellen. Alle Gläubiger wurden im entsprechenden Fall per Zeitungsanzeige aufgerufen, ihre Ansprüche anzumelden. Gemeinsam wurde dann nach einem Weg gesucht, um „eine allmähliche Zurückführung der Verschuldung bis auf die Grenze der Mündelsicherheit“ zu schaffen.[1] In Wattenbek hat es allem Anschein nach nur wenige überschuldete landwirtschaftliche Betriebe gegeben, denn im Holsteinischen Courier werden in diesem Zusammenhang lediglich drei Betriebsinhaber genannt: Anna Möller (geb. Plambeck), Friedrich Doose und Franz Friedrichsen.[2]

Eine weitere Maßnahme zur Unterstützung der Landwirtschaft wurde durch das am 1.Oktober 1933 in Kraft getretene „Reichserbhofgesetz“ geschaffen. Die Nationalsozialisten wollten dadurch „unter Sicherung alter deutscher Erbsitte das Bauerntum als Blutquelle des deutschen Volkes erhalten“. Der Grundgedanke sah die Festlegung von „Erbhöfen“ vor, die nicht verkauft, nicht verschuldet und nur ungeteilt vererbt werden durften. Dazu wurden in der Regel alle Höfe erklärt, die mindestens eine „Ackernahrung“ und höchstens 125ha umfassten. Es  bestand also  die Absicht, den landwirtschaftlichen Grundbesitz im Deutschen Reich zu nivellieren. Als Ackernahrung war „diejenige Menge Landes anzusehen, welche notwendig ist, um eine Familie unabhängig vom Markt und der allgemeinen Wirtschaftslage zu ernähren und zu bekleiden“. Später wurde darunter eine Hofgröße von mindestens 7,5 ha verstanden. Nur die Besitzer von Erbhöfen durften fortan die Bezeichnung „Bauer“ führen. Alle anderen mussten sich mit der Berufsbezeichnung „Landwirt“ abfinden. Bauer konnte nur jemand werden, „der deutschen oder stammesgleichen Blutes“ war. „Wer unter seinen Vorfahren väterlicher- oder mütterlicherseits jüdisches oder farbiges Blut hat“, kam als Besitzer eines Erbhofes nicht infrage. [3] In Wattenbek waren es 10 landwirtschaftliche Betriebe, die im Mai 1934 öffentlich zu Erbhöfen erklärt und als solche in die sogenannte Erbhöferolle eingetragen wurden:

·        Adolf Schroedter (61 ha),

·        Alfred Techow (57 ha),

·        Hans Wulff (60 ha),

·        Johannes Gabriel (64 ha),

·        Wilhelm Stabe (14 ha),

·        Christian Rixen (50 ha),

·        Friedrich Lüthje (14 ha),

·        Heinrich Sauerberg (22 ha),

·        August Gier (46 ha) und

·        Friedrich Doose (23 ha).[4]

Damit waren alle größeren Bauernhöfe in Wattenbek zu Erbhöfen erklärt worden. Es gab nur noch vier kleinere Höfe, deren Besitzer sich künftig „nur“ noch Landwirt nennen durften:

·        Willy Blöcker,

·        Franz Friedrichsen,

·        Otto Horst und

·        Adolf Wulff.[5]

Von den 10 Wattenbeker Erbhofbauern hatten im März 1933 sechs auf der NSDAP-Liste für die Gemeindevertretung kandidiert: Schroedter, Gabriel, Stabe, Rixen, Lüthje und Gier. Und vier von ihnen waren in der Zeit von 1934 - 1945 Mitglied im gleichgeschalteten Gemeinderat: Schroedter, Gabriel, Stabe und Rixen.[6]

Als unkritischer Zeitgenosse konnte man in der damaligen Zeit den Eindruck gewinnen, dass es den Nationalsozialisten tatsächlich gelungen war, die tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme aus der Zeit der Weimarer Republik dauerhaft beseitigt zu haben. Deshalb war es auch keine Frage, dass die kurzfristig nach dem Tode des Reichspräsidenten von Hindenburg angeordnete Volksabstimmung am 19.August 1934 mit einem deutlichen Bekenntnis zum „Führer“ endete: Die Deutschen wurden gefragt, ob sie damit einverstanden seien, dass Adolf Hitler nicht nur das Amt des Reichskanzlers sondern inzwischen auch das wichtige Amt des Reichspräsidenten bekleidete. In Wattenbek waren 93,4 % der  362 „Wähler“ für  dieses verfassungswidrige Vorgehen. 24 Bürger hatten dagegen gestimmt und 9 waren nicht zur Abstimmung erschienen oder hatten ihren Stimmzettel ungültig gemacht. Reichsweit lag die Zustimmung bei 90 %.[7]


[1] Reichsgesetzblatt, Teil I, 1933, S.331.

[2] HC vom 01.11.1934.

[3] Reichsgesetzblatt, Teil I, 1933, S.685f..

[4] HC vom 12.05.1934.

[5] Die Berufsbezeichnungen konnten aus dem Wählerverzeichnis von 1936 für die Gemeinde Wattenbek erschlossen werden.

[6] Protokollbuch der Gemeinde Wattenbek für die Jahre 1934 bis 1945.

[7] HC vom 20.08.1934 und Overesch/Saal II, S.156.

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