Wilhelm Stabe

Wattenbeks Bürgermeister

in vier politischen Systemen

1918 - 1945

III. In der Zeit des Nationalsozialismus

Die reichsweite Machtübertragung an die Nationalsozialisten durch den Reichspräsidenten von Hindenburg im Januar 1933 zeigte auch in Wattenbek schon bald seine Auswirkungen: Die ehemals demokratisch gewählte Gemeindevertretung wurde "gleichgeschaltet", d.h. den verbliebenen beiden Sozialdemokraten Johannes Tödter und Wilhelm Ueckermann wurden ihre Mandate als Gemeindevertreter aberkannt. Die Nationalsozialisten waren jetzt unter sich und Wilhelm Stabe als Bürgermeister erlangte eine noch größere Machtbefugnis, denn im neuen Gemeindeverfassungsgesetz vom Dezember 1933 war festgelegt worden: " Der Leiter der Gemeinde trifft alle Entscheidungen in voller und ausschließlicher Verantwortung." Die Gemeindevertreter wurden zu "Beratern" degradiert und mussten vom Leiter der Gemeinde lediglich vor allen wichtigen Entscheidungen "gehört" werden. Vielleicht ist der damals 65-jährige Wilhelm Stabe sich gar nicht bewusst gewesen, dass er im Begriff war, ein demokratiefeindliches und menschenverachtendes System zu unterstützten.

Die allgemeine politische Entwicklung der nachfolgenden Jahre ist in Wattenbek offensichtlich nicht weiter kritisch beurteilt worden. Gegen die Inhaftierung und Internierung des Wattenbeker Zimmermanns Hermann Rowedder im Sommer 1933 in einem Konzentrationslager - wegen Verbreitung angeblich systemfeindlicher Gerüchte - hat es anscheinend keine Proteste gegeben. Dazu waren die Wattenbeker erst 1937 bereit, als die Kreisleitung der NSDAP in Rendsburg die Absicht äußerte, die Gemeinde Wattenbek in Bordesholm einzugliedern. In dieser die Eigenständigkeit des Dorfes bedrohenden Situation müssen der Bürgermeister Wilhelm Stabe und die anderen Gemeinderäte über sich hinausgewachsen sein. Sie formulierten ein für die damalige Zeit nicht ganz unproblematisches Protestschreiben, in dem sie darauf hinwiesen, dass es sich bei Wattenbek mit seinen 700 Einwohnern durchaus um eine selbst lebensfähige Gemeinde handele. Außerdem wären die strukturellen Unterschiede zu Bordesholm sehr ausgeprägt, da Wattenbek "zum großen Teil eine landwirtschaftliche Gemeinde" sei. Ob diese Argumente so überzeugend oder andere Gründe entscheidend waren, ist nicht bekannt: Jedenfalls kam es in Rendsburg zu einem nicht für möglich gehaltenen Sinneswandel und Wattenbek durfte seine Eigenständigkeit behalten.

Vor diesem Hintergrund muss man wahrscheinlich auch das Verhalten der Wattenbeker im weiteren Verlauf der nationalsozialistischen Zeit betrachten: Gegen die Errichtung eines Zwangsarbeiterlagers der Deutschen Werke Werft (Kiel) im Sommer 1941 auf dem Gelände am heutigen Saalskamp, Birkenweg und Buchenweg hatte man keinerlei Bedenken, schließlich hatte der Landrat gegenüber dem Bauherrn ausdrücklich betont: "Im Interesse der Gemeinde Wattenbek muss ich mein Einverständnis von der Bedingung abhängig machen, dass ein geeigneter Lagerführer eingesetzt wird und dass von diesem alle kriegswirtschaftlichen Arbeiten, die sich auf die Lebensmittelversorgung usw. der Lagerinsassen beziehen, wahrgenommen werden, sodass die Gemeinde hierdurch nicht belastet wird." 

Wilhelm Stabe hat jedenfalls mit seiner Unterschrift (siehe nebenstehende Abbildung) deutlich gemacht, dass auch er als Bürgermeister nichts gegen die Einrichtung einer Kantine und den Ausschank von Bier und alkoholfreien Getränken im Lager einzuwänden hätte.

Am Ende des Krieges im Mai 1945 wurde Wattenbek von der englischen Besatzungsmacht als Lagerstandort für "Displaced Persons" ausgesucht: In den Baracken des Lagers der Deutschen Werke Werft wurden aus ganz Schleswig-Holstein ehemalige Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus Serbien bzw. Jugoslawien untergebracht. Sie blieben hier bis zu ihrer Repatriierung im November 1946. Im Volksmund erhielt das Lager die - nur für diesen kurzen Zeitraum von 18 Monaten zutreffende - Bezeichnung "Serbenlager". Für den Bürgermeister Wattenbeks, Wilhelm Stabe, hatte sich am 8.Mai 1945 wenig geändert. Er blieb erstaunlicher Weise noch bis zum 11.Juli 1945 im Amt.

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I. Am Ende des Ersten Weltkrieges III. In der Zeit des Nationalsozialismus

II. In der "Weimarer Republik"

IV. In der unmittelbaren Nachkriegszeit